Am 26. November fand eine der renommierten Dialogveranstaltung der Reihe Geist & Gegenwart mit Franz Fischler, dem früheren EU-Kommissar und Präsidenten des Europäischen Forum Alpbach, in die Räumlichkeiten der Alten Universität Graz ein. Das Event stand unter dem Titel “Liberale Demokratien und ein Europa, das schützt” und wurde vom Club Alpbach Steiermark und dem Land Steiermark veranstaltet.

Nach einer einleitenden Begrüßung von Club Alpbach Steiermark Vorsitzendem Herwig Hösele – die mit der Information einherging, dass der Streik der Eisenbahner dem Vortragenden Fischler in die Quere gekommen sei und das Publikum noch ein paar Minuten länger ausharren müsse – eröffnete Barbara Eibinger-Miedl, steiermärkische Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Europa, Wissenschaft und Forschung, die Veranstaltung. Die Landesrätin stimmte mit der Betonung der starken Verknüpfung der Steiermark mit der Europäischen Union den Ton an. Sie lenkte die Aufmerksamkeit vor allem auf konkrete Errungenschaften der EU wie das Schengen-Abkommen, die gemeinsame Währung, das Austauschprogramm Erasmus sowie die Abschaffung von Roaming-Gebühren. Gleichzeitig erinnerte sie aber auch an die tragenden Grundwerte der Union wie Frieden, Wohlstand und Demokratie.

Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl (c) Lisa Schantl

Diesen positiven Blick Richtung vereintes Europa trug Franz Fischler, dem man die wohl leicht anstrengende Anreise kaum ansehen konnte, beinahe nahtlos weiter. Mit seinem einstündigen Vortrag appellierte er vor allem an die aktive Beteiligung an repräsentativer Demokratie und forderte alle Anwesenden dazu auf, den aufkommenden illiberalen Tendenzen die Stirn zu bieten. Denn: Friede sei nur mit einem vereinten zentralen Europa möglich. “Wir sind nachlässig geworden in der Verteidigung unserer Werte,” so Fischler.

„Wir sind nachlässig geworden in der Verteidigung unserer Werte.“

Demokratie lebe von Dialog und Kommunikation und der nur dadurch erreichbaren Kompromiss- und Konsensfindung. Fischler gab zu bedenken, dass wir den Unterschied zwischen Informationsbeschaffung und gemeinschaftlichem Dialog zusehends verlernten. Es sei dies ein Problem, dass sich auch auf der Regierungsebene niederschlüge, und um welches es zu kontern dringend eine Stärkung des Parlamentarismus auch in Österreich bedürfe.

Leicht besorgt blickte der ehemalige EU-Kommissar auch in Richtung Europawahl 2019. Der Nachholbedarf in Digitalisierung, Innovation, Migrationspolitik, militärischer Stärke, Export und Handel sowie die durch Urbanisierung bedingten Herausforderungen würden sich ohne konkrete Initiativen seitens der EU auf die Wahlbeteiligung auswirken und zu starken Auseinandersetzungen zwischen EU-Befürwortern und -Gegnern führen. Diese Herausforderungen seien komplexe Probleme, die zur Lösung ein neues Denken benötigen würden. Eine Anstrengung, die die Politik alleine nicht bewerkstelligen könne, sondern sich in einen konstruktiven Dialog mit Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und der Zivilgesellschaft begeben müsse. Fischler verwies auf die Notwendigkeit neuer Plattformen, die einen solchen Dialog auf Augenhöhe ermöglichen und zu gemeinsamen Entscheidungen führen könnten.

„Es braucht unser aller Engagement.“

Ob der österreichische EU-Ratsvorsitz 2018 ein gelungenes Unterfangen gewesen wäre, darauf geht Fischler nicht weiter ein. Vielmehr hebt er – aus eigener Erfahrung – das immense Arbeitspensum eines solchen Vorsitzes hervor und erinnert an die Kernthemen dieses Jahres: illegale Migration bekämpfen, Nachbarländer stabilisieren und so den Wohlstand sichern.

Klar ist für Fischler, dass es an der Zeit ist, für liberale Demokratie einzutreten. “Es gibt viele Gründe, warum die EU unverzichtbar und alternativlos ist,” so der Präsident des Europäischen Forum Alpbach. “Und es braucht unser aller Engagement.”

Früherer EU-Kommissar und Präsident des Europäischen Forum Alpbach Franz Fischler (c) Lisa Schantl